Neuroathletik Kritik – Die 4 häufigsten Punkte

Neuroathletik Training hat unter anderem durch Lars Lienhard und dessen Arbeit mit Tennis Spieler Alexander Zverev zuletzt sehr viel Aufmerksamkeit bekommen.

Dinge die „neu“ und „anders“ sind, werden schnell kritisiert – so auch das Neuroathletik Training.

Doch was steckt hinter der ganzen Neuroathletik Kritik?

Neuroathletik Trainer Yassin von Jebrini Training (Z Health Master Practitioner) und ich gehen in diesem Artikel auf die häufigste Neuroathletik Kritik ein, die wir immer wieder zu hören bekommen.

Fangen wir direkt an mit Kritikpunkt Nummer 1.

Neuroathletik Kritik #1: Ersatz für…

Eine Sache, die häufig an einen herangetragen wird, ist:

“Ihr wollt alle möglichen Trainingsformen durch Neuroübungen ersetzen!”

Hater #1

Und da muss man einfach sagen:

Das Thema wird vollkommen missverstanden!

Neuroathletik Training optimiert den Rahmen, in dem eine Bewegung stattfindet.

Beispiel:

Nehmen wir eine Kniebeuge.

Ich habe eine vertikale Bewegung durch den Raum (ich gehe rauf und runter).

Das sind wichtige Gleichgewichtsinformationen.

Ich habe propriozeptive Informationen aus Muskeln, Gelenken, Sehnen und Bändern, die ich brauche.

Und ich brauche visuelle Informationen darüber, wie ich im Raum stehe.

Meine Kniebeugen kann durch ein Problem in all diesen Systemen eingeschränkt sein.

Am Ende geht es immer um die Bewegungen, die jemand durchführen möchte.

Sind wir ehrlich:

Eine Sportart stellt Anforderungen an jeden Athleten.

Wenn ich Gewichtheber bin, dann ist relativ klar, was meine Vorgaben sind.

Das kann ich nicht und möchte ich gar nicht durch Neuro Übungen ersetzen.

Stattdessen möchte ich dem Athleten helfen, seine Bewegung auf höchstem Niveau durchzuführen zu können.

Und das machen wir durch die spezifische Optimierung seiner neuronalen Funktionen.

Ist deine Kniebeuge eingeschränkt?

Nehmen wir mal an, du bist eingeschränkt in der Beweglichkeit ganz runter in die Kniebeuge zu kommen.

Was standardmäßig gemacht wird, sind Beweglichkeitsübungen für den Zielbereich (z.B. das Sprunggelenk oder die Hüfte).

Aus der Neuro Perspektive betrachtet, arbeitest du dann an deinem Bewegungssystem (propriozeptives System).

Wie du bereits aus diesem Artikel weißt, tragen aber auch das Gleichgewichtssystem und deine Augen wesentlich zur Bewegung bei.

Der Utriculus (klicke hier, wenn du nicht weißt, was das ist) ist auch an der Durchführung deiner Kniebeuge beteiligt.

Es könnte also sein, dass du nicht tief in die Kniebeuge kommst, wenn dein Utriculus nicht optimal funktioniert.

Wenn dein Bewegungssystem gar nicht das “Problem” ist, kannst du stundenlang deine Mobility Übungen für das Sprunggelenk und die Hüfte machen.

Du würdest nie in die Tiefe Kniebeuge kommen, wenn der Utriculus der limitierende Faktor ist.

Durch das neurozentrierte Training wollen einfach unsere Sichtweise auf den menschlichen Körper erweitern, indem wir uns unter anderem Fragen:

Welche Systeme sind den alles an einer Bewegung beteiligt?

Um dann diese Systeme analysieren und optimieren zu können.

Es geht NICHT darum, dass wir mit jedem Kunden irgendwelche verrückten Augenübungen oder Gleichgewichtsübungen machen.

Sondern darum, dass du dein bisheriges Training und deine bisherige Therapie durch das Wissen aus dem Neuro Bereich ergänzen und verbessern kannst.

Der Hauptbestandteil deines Trainings sollte IIIIIMMER der Sport sein, den du verfolgen möchtest bzw. die Zielbewegung sein, in der du besser werden möchtest!!!

Neuroathletik Kritik #2: Wissenschaftliche Evidenz

Ein anderer Kritikpunkt, der häufig kommt, ist:

“Neuroathletik hat überhaupt kein wissenschaftliche Evidenz!”

Hater #2

Zum einen darf man nicht vergessen, dass “Neuroathletik” noch eine junge Disziplin ist.

Auf der anderen Seite muss man auch sagen:

Nur weil eine Studie zu einem gewissen Ergebnis gekommen ist, heißt es nicht, dass es gleich wissenschaftlich belegt ist.

Hierzu gibt es die sogenannten Levels of Evidence, die man sich dafür anschauen sollte.

Sehr viele Neuro-Hater kommen aus der Therapie und der Sportwissenschaft (was übrigens zwei Bereiche sind, in denen unheimlich viele Dinge noch keine starke wissenschaftliche Evidenz haben).

Heißt das jetzt gleich, dass sie schlecht sind oder nicht wissenschaftlich sind?

Nein!

Du findest keine Studien zu Neuroathletik?

Heißt das jetzt, dass es keine Studien zum Thema Neuroathletik gibt?

Nein.

Das Problem ist, dass häufig mit den falschen Suchbegriffen auf den Datenbanken gesucht wird.

Es wird speziell nach Neuroathletik gesucht (auf Deutsch oder Englisch).

Oder es werden spezifische “Neuroathletik Übungen” gesucht.

Stattdessen sollten die neurologischen Hintergründe der Übungen (z.B. Nerve Flossing) in Kombination mit einem Krankheitsbild (z.B. Parkinson), einem bildgebenden Verfahren (Functional MRI) oder einer Funktion (Extensor Tone) gesucht werden.

Dann findest du nämlich EINIGES an wissenschaftlicher Evidenz!

Schlechte Suchanfragen Gute Suchbegriffe
Neuroathletik
Cerebellum + Extensor Tone
Achtergang
Vestibular System + Parkinsons Disease
Go / No-Go Übungen
Frontal Lobe + Functional MRI
N. Medianus Tensioner
Nerve Flossing + Carpal Tunnel Syndrome

Wenn du möchtest, dass wir zum Thema wissenschaftliche Evidenz & empfehlenswerte Datenbanken für die Literaturrecherche einen Artikel schreiben, dann schreib’ uns eine Mail oder auf Instagram.

Neuroathletik Kritik #3: Richtiges Training?!

Noch ein Thema, das wir häufig zu hören bekommen ist:

„45 Minuten Augenübungen zu machen, ist doch kein richtiges Training!”

Hater #3

Abgesehen davon, dass jegliche Bewegung die wir machen “Neuroathletik” ist, habe ich ja oben erwähnt, dass das Ziel immer ist, eine Bewegung besser zu machen.

Also angenommen, ich habe jemanden (nennen wir in Fritz), der aktuell klassisches Krafttraining macht, um stärker zu werden.

Fritz hat Defizite in der Kontrolle der linken Körperhälfte, weshalb die Stabilität und Kontrolle des linken Armes schlechter sind.

Dadurch kann er mit seinem linken Arm beim Bankdrücken mit Kurzhanteln immer weniger Gewicht und Wiederholungen machen, als mit dem rechten.

Dann kann ich z.B. durch “Neuro Übungen” im Warm-Up oder zwischen den Sätzen dafür sorgen, dass die Bewegung am Ende besser aussieht und mehr Vorteile bringt.

Alternativ könnte ich auch die Übung selbst spezifischer für Fritz gestalten.

Wenn wir z.B. ein Widerstandsband an seinem linken Arm platzieren, während er die Bankdrücken macht, haben wir eine stärkere Aktivierung des linken Kleinhirns und dadurch eventuell direkt mehr Stabilität.

Also handelt es sich bei diesem Kritikpunkt um ein Missverständnis.

Warum?

Weil Leute denken, dass es Neuroathletik Training darum geht, auf den Stift gucken und den Kopf drehen – was offensichtlich falsch ist.

Neuroathletik Kritik #4: Pflicht für jeden?

Was wir auch immer wieder gerne hören, ist Folgendes:

„Ist doch Quatsch, dass jeder diese komischen Neuro-Übungen machen muss!”

Hater #4

Dieser Kritikpunkt ist dann angemessen…

wenn man ein eingeschränktes Bild von Neuroathletik hat.

Lass’ es mich dir kurz erklären:

Wenn man denkt, dass es beim Neuroathletik ausschließlich um spezifische Gleichgewichts- und Augenübungen geht – dann stimmt das Argument.

Es muss nicht jeder diese teilweise stark isolierten Übungen machen.

Wenn man jedoch verstanden hat, dass (wie oben schon erwähnt) JEDE BEWEGUNG, JEDE BERÜHRUNG UND JEDER GEDANKE Neuroathletik sind (mehr dazu hier), dann stimmt dieser Kritikpunkt wieder nicht.

Weil dann müssen wir alle Neuroathletik machen.

Was du dir jedoch merken kannst, ist Folgendes:

Je “gesünder” eine Person ist, desto unspezifischer muss das Bewegungsprogramm dieser Person aussehen.

Je “ungesünder” eine Person ist, desto spezifischer muss das Bewegungsprogramm dieser Person aussehen.

Was heißt das konkret?

Wenn deine Gleichgewichtsorgane, deine Augen und dein Bewegungssystem keine großen Einschränkungen haben, dann wird ein eher allgemeines Trainingsprogramm für dich mit Sicherheit super funktionieren.

Klar könntest du trotzdem von “Neuro Training” profitieren, wenn du deine kleinen Baustellen spezifisch aufarbeiten würdest, oder einfach die Neuro Übungen findest, auf die du direkt mit einer Leistungsverbesserung reagierst – aber es ist nicht unbedingt nötig!

Wenn du jedoch mehrere Schädel-Hirn-Traumata (durch Stürze oder Unfälle), sehr schlechte Augen und eine Knie-OP im letzten Jahr hattest, dann würdest du eher von einem spezifischen Bewegungsprogramm profitieren.

Soviel zu den 4 häufigsten Neuroathletik Kritik Punkten, die wir immer wieder zu hören bekommen.

Mich würde aber sehr interessieren, was deine Meinung zum Thema Neuroathletik ist.

Schreib mir dazu gerne eine Mail oder melde dich auf Instagram.

Ganz wichtig:

Bleib’ kritisch!

Nur weil Yassin oder ich über Neuroathletik sprechen, heißt das nicht, dass du das jetzt auch unbedingt machen solltest.

Was du jedoch machen solltest, ist, dich ausführlich darüber zu informieren und DANACH deine eigene Meinung darüber zu bilden, anstatt von Anfang an zu sagen, dass Neuroathletik Quatsch ist.

Das ist nämlich sehr einfach und bringt dich an dieser Stelle leider keinen Schritt weiter.

Bleib‘ in Bewegung!

Gino