Neuroathletik Gleichgewicht – Testung vestibuläres System

Neuroathletik Gleichgewicht – Testung vestibuläres System

Lass uns einen Schritt weiter im Thema Neuroathletik Gleichgewicht gehen.

Wie man die bewegungssteuernden Systeme im neurozentrierten Training testen kann, erfahrt ihr heute in diesem Artikel. Genauer gesagt beschäftigen wir uns heute mit dem Gleichgewichtsorgan beziehungsweise, um genauer zu sein, den horizontalen Bogengängen.

Dabei noch einmal einen großen Dank an David Hillmer, der mich dabei unterstützt hat.

Anatomie der Gleichgewichtsorgane

Das Gleichgewichtsorgan liegt im Innenohr. Sprich sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite haben wir ein Gleichgewichtsorgan.

Die Bestandteile des jeweiligen Gleichgewichtsorgans, die alle separat voneinander getestet werden können, kann man sich am besten mit den fünf Fingern unserer Hand merken. Jeder Finger steht dabei für einen Anteil:

1 | Sacculus
2 | Utriculus
3 | Vorderer Bogengang
4 | Hinterer Bogengang
5 | Horizontaler Bogengang

Mit Letzteren beschäftigen wir uns in diesem Artikel.

Wenn du noch mehr über die Anatomie und Funktionen des Gleichgewichtssystems erfahren möchtest, dann schau dir gerne unseren Grundlagen Artikel dazu an

Neuroathletik Gleichgewicht Anatomie Innenohr

Stimulation der Bogengänge

Horizontale Bogengänge werden vor allem über die Kopfbewegung, quasi der Kopfschüttelbewegung von rechts nach links und umgekehrt, aktiviert.

Das bedeutet, wenn ich einen Gang isolieren möchte, weil wir ansonsten beide Bogengänge immer rechts und links aktiviert haben, würde ich eine Bewegung zur jeweiligen Seite durchführen, um den rechten oder linken Bogengang zu adressieren.

Wichtigkeit der Bogengänge

Die Bogengänge, vor allem der horizontal orientierte, beinhaltet eine Flüssigkeit. Durch eine Kopfbewegung zu einer Seite wird diese Flüssigkeit in Bewegung versetzt und das hat vor allem für unsere Körperhaltung und Kontrolle einen enorm wichtigen Einfluss.

Sind wir beispielsweise als Fußballer in einem Sprint und müssen unter Änderung der Kopfposition viele Richtungswechsel machen, um uns an einem Mitspieler oder Gegenspieler zu orientieren, dann dürfen wir nicht plötzlich komplett die Balance oder Stabilität verlieren.

Deswegen ist es sehr wichtig, funktionierende Bogengänge auf beiden Seiten zu haben.

Testung der horizontalen Bogengänge

Wir picken genau diese Bewegung des Kopfschüttelns heraus. Das Ganze führen wir mit einem visuellen Fokus (mit Anschauen eines Gegenstandes) durch, weil das Gleichgewichtsorgan unter anderem für die Stabilisation der Augen zuständig ist.

Wir müssen uns gleich in der Testung stets die Frage stellen, ob du weiterhin das Ziel oder den Buchstaben auf einem Visionstick klar und deutlich erkennen kannst oder nicht. Verändert sich irgendetwas von der visuellen Schärfe? Sollte sich hier etwas verändern, würde uns das die ersten Anzeichen in Richtung einer kleinen Dysfunktion des einen Bogengangs geben.

Für eben diese Testung schaffen wir uns jetzt einen kleinen Visionstick an, den wir selbst in die Hand nehmen.

Besitzt du keinen Visionstick, dann kannst du jeglichen Fixpunkt an einer Wand oder beispielsweise deinen Daumen dafür hernehmen. Je kleiner der Fokuspunkt ist, desto anspruchsvoller ist es, den Fokus zu halten.

Zu aller erst testen wir nun den rechten Bogengang, sprich wir greifen den Stick mit der linken Hand auf Armlänge. Am besten schnappt ihr euch einen Trainingspartner etc., der ein bisschen auf eure Augen achtet.

Ihr selbst werdet das vielleicht auch merken, dass der Fixpunkt zwischendurch wegspringt und es schwer ist, während der Bewegung auf dieser Stelle zu bleiben.

Ansonsten sollte es deinem Partner aber leicht fallen, eine Disbalance zu erkennen. Ein kleines Flattern auf einem Auge sollte erkennbar sein.

Zurück zur Testung: Wir achten auf die Armlänge, halten den Visionstick ungefähr auf Nasenwurzel, sodass der Fokuspunkt circa auf Augenhöhe positioniert ist.

Dann suchst du dir, sofern du einen Visionstick besitzt, einen beliebigen Buchstaben als Fokuspunkt aus. Ansonsten nimmst du eben einen anderen beliebigen Punkt dafür her.

Nachdem alles eingestellt ist, führen wir eine zügige Kopfrotation nach rechts für den rechten Bogengang aus, wo wir dann die Position halten.

Danach kehren wir mit verschlossenen Augen zurück in die Ausgangsstellung.

Für diesen Vorgang lassen wir uns fünf Sekunden Zeit. Bei der Bewegungsamplitude müssen wir ein bisschen aufpassen, dass wir nicht zu weit rotieren.

Drehen wir den Kopf jetzt bewusst viel zu weit zur rechten Seite, dann ist hier das Problem, dass das hintere Auge, also in diesem Beispiel das rechte, von der Nase verdeckt wird

Achtet hier also darauf, dass ihr den Buchstaben mit beiden Augen sehen könnt.

Ein weiterer Punkt, auf den ihr achten solltet, ist das Kinn. Dieses sollte eher nach unten geneigt sein, denn so sind die Bogengänge horizontaler.

Korrigiert die Person, die ihr testet, aber nicht schon im Voraus, denn es ist als Coach auch immer interessant, die intuitive Bewegungslösung zu sehen.

Als David mich getestet hat, ist uns aufgefallen, dass ich endgradig eine Extension, also eine Streckung des Kopfes nach hinten mit reinbringe. Eigentlich sollte es aber nur eine reine Rotationsbewegung sein.

Das sind auch Aspekte, auf die wir achten, weil wir so auch Aussagen über andere Bogengänge treffen können. Ich persönlich habe bei der ersten Ausführung bemerkt, dass es mir kurz schwerfiel, den Buchstaben zu fokussieren, bei den Wiederholungen wurde es aber deutlich besser.

In der Außenbetrachtung beobachtete David, dass meine Augen ziemlich stabil waren. Dafür war meine Bewegungsamplitude oftmals ein wenig zu groß. Darauf musst du auch schauen, dass diese nicht zu groß wird. Insgesamt war die Bewegung aber stabil bei mir.

Verbesserung des Gleichgewichts

Wichtig dabei ist, dass wir immer einen Test und einen Re-Test durchführen. Wenn ich beispielsweise einen Beweglichkeits-, einen Kraft- oder einen Fähigkeitstest (jonglieren etc.) durchführe, machen wir das zuvor, führen dann eine Übung zur Aktivierung der horizontalen Bogengänge aus und testen dann den erneut.

Beim Jonglieren wäre es dann die Reihenfolge:

1 | Jonglieren
2 | Aktivierung der Bogengänge
3 | Jonglieren

Danach schauen wir nun, ob der Test besser geworden ist.

Vor allem, wenn es um die Bogengänge und Kopfbewegungen geht, wird dies nun interessant. Geht es beispielsweise um einen spezifischen Skill oder eine Fertigkeit, bei der eine schnelle Kopfrotation mit inbegriffen ist (z. B. Richtungswechsel), dann kann eine Übung schon große Effekte bewirken.

Das Bewegungsmuster, also in dem Beispiel der Richtungswechsel, wird intuitiv analysiert und danach sofort ein Feedback darüber gegeben, ob man jetzt eine andere Winkelstellung (Cutting Position) für den Richtungswechsel hat.

Eventuell kann sich durch so eine Kleinigkeit das komplette Richtungswechselverhalten verändern.

Beispiel Kraftsportler

Im Kraftsport trainiert man normalerweise ohne solch schnelle Richtungswechsel. Wozu ist die Verbesserung der Bogengänge im Kraftsport dann trotzdem wichtig?

Hier geht es nun eher um Extensionsmuster, sprich wenn du beispielsweise beim Kreuzheben bist und die komplette rückseitige Schlinge ordentlich auf Zug gebracht wird und einen enormen Tonus entwickeln muss, um das schwere Gewicht vom Boden zu heben.

Hierbei handelt es sich um ein Extensionsmuster (Streckmuster), für dessen Regulation unter anderem das Gleichgewichtsorgan wichtig ist. Das bedeutet, wenn ihr eines eurer Gleichgewichtssysteme, das vielleicht defizitär ist, separat oder durch ein allgemeines Warm-up stimuliert, werdet ihr voraussichtlich in eurem Streckmuster stärker werden.

Das Ganze solltest du auch als Übung für den Test und Re-Test benutzen.
Sprich vor dem Kreuzheben den oben beschriebenen Test – beim Kreuzheben eventuell auch mit der vertikalen Achse – durchführen und dann die Kraftübung ausführen.

Am Ende wirst du merken, ob sich das Empfinden oder sogar das absolute Gewicht geändert hat.

Abschließend noch ein paar Tipps:

Wenn du keinen Partner hast, der deine Augen beim Test beobachten kann, oder du den Test lieber erst zu Hause ausprobieren willst, dann platziere dein Handy so, sodass man deine Augen gut sieht und führst den Test durch.

Danach schaust dir das Video an und achtest darauf, wie fix deine Augen auf dem Fokuspunkt waren. Vor allem mit den ganzen Tools wie Slow Motion, die es mittlerweile auf dem Smartphone gibt, sollte es dir leichter fallen, ein kleines Flackern, sofern vorhanden, zu erkennen.

So viel zum Thema “Gleichgewichtssystem testen”. Im nächsten Artikel geht es um das visuelle System, den ich auch wieder mit David Hillmer erarbeitet habe.

Wenn du irgendwelche Fragen zu diesem Thema hast, dann schreib uns gerne via Instagram oder per Mail.

Auch Davids Instagram-Account und Davids Website verlinke ich dir hier. Ein sehr guter Ansprechpartner in allen Belangen, die mit Neuroathletik- aber auch Athletiktraining im Allgemeinen zu tun haben.

Ansonsten hoffe ich sehr, dass dir diese Tipps weitergeholfen haben und auch noch weiter in deinem Training helfen werden.

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann würden wir uns sehr darüber freuen, wenn du den Artikel mit deinen Freunden, Bekannten etc. teilst.

Bleib’ in Bewegung!

Gino

PS: Das Beitragsbild ist von Joshua Earle.

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